Die digitale Edition der Korrespondenzen von Hans Georg und Hermann Nägeli präsentiert alle vom Zürcher Musikverleger Hans Georg Nägeli (1773-1836) und seinem Sohn Hermann (1811-1872) verfassten und an sie gerichteten Briefe, die in den Beständen der Zentralbibliothek Zürich überliefert sind. Es handelt sich um insgesamt ca. 3’800 Briefe, die im Zeitraum von 1790 bis 1872 entstanden sind.

Die edierten Briefe

Der Edition liegt ein weiter “Brief”-Begriff zugrunde. Es werden die verschickten Originalbriefe sowie Entwürfe und Abschriften präsentiert, ohne dass diese hierarchisiert werden. Falls Briefe in gedruckter Form publiziert wurden, wird ein entsprechender Nachweis angeführt. Entwürfe und Abschriften können nur Teile eines Briefes enthalten oder auch den gesamten Brief; sie können von Hans Georg, Hermann oder Dritten angefertigt sein. Dies wird, wo immer möglich, nachgewiesen.

Guter Lesetext als Hauptziel der Edition

Die Digitale Edition der Korrespondenzen von Hans Georg und Hermann Nägeli erfüllt ein seit Langem bestehendes Forschungsdesiderat: Erstmals wird mit dieser Edition der Grossteil der Nägeli-Korrespondenz zugänglich gemacht, die bislang nur teilweise und in Auszügen bekannt war. Sie richtet sich sowohl an Wissenschaft und die musikhistorische Nägeli-Forschung als auch an die breite Öffentlichkeit, die sich seit dem Jubiläumsjahr 2023 wieder zunehmend für Nägeli interessiert. 

Der Fokus der Edition richtet sich vor allem auf den Inhalt der Korrespondenzen. Sie strebt demzufolge an, einen guten Lesetext darzubieten, der die Neugierde der allgemeinen Leserschaft sowie die Nachnutzung und Weiterbearbeitung durch die spezialisierte Forschung zu befriedigen vermag. Es wird neben den Digitalisaten der Briefe auch der Wortlaut sämtlicher Briefdokumente in diplomatischer Transkription zugänglich gemacht; Fragen der Textkritik resp. -genese wie z.B. der Unterscheidung zwischen Sofortkorrektur und späterer Überarbeitung geht die Edition nicht nach. Die Dokumentenauszeichnung konzentriert sich vor allem auf die Layoutanalyse resp. Dokumentensegmentierung. 

Als historische Edition erweist sie sich insofern, als dass sie Erwähnungen von Personen, Orten und Werken auszeichnet und in Registern erschliesst. Auf diese Weise werden allen Leser:innen die grundlegenden Textverständnishilfen angeboten. Abgesehen vom allgemeinen Einleitungskommentar entbehrt die digitale Edition zum aktuellen Zeitpunkt weiterer Einleitungs- und Stellenkommentare zu den verschiedenen Korrespondenzen.

Die historische Edition als work-in-progress-Edition

Die digitale Edition der Korrespondenzen von Hans Georg und Hermann Nägeli zeichnet die Dokumente auf eine basale Art und Weise aus. Sie tut dies aus einem Selbstverständnis heraus, das genuin in ihrer Digitalität begründet ist. Sie versteht sich nicht wie viele gedruckte Editionen als eine einmalige, abgeschlossene Edition, sondern als eine work-in-progress-Edition, welche die erste Stufe der editorischen Aufarbeitung der Nägeli-Korrespondenz darstellt. Sie bildet die Basis für weitere, zukünftige editorische Vorhaben. Die Edition bietet einen sauberen Text in basaler Auszeichnung und stellt verschiedene Ordnungsoptionen für die Korrespondenzen zur Verfügung. Sie erlaubt somit vielfältige wissenschaftliche Analysen der edierten Briefe; sie weiss freilich auch, dass sie längst nicht alle inhaltlichen und/oder textlichen Phänomene vermerkt: Sowohl die philologischen als auch die inhaltlichen Auszeichnungen sind bewusst generisch gehalten. Sie besitzt dafür die Offenheit für alle möglichen und denkbaren Fragestellungen, die man in weiteren Editionsvorhaben verfolgen kann.

Die digitale Edition der Korrespondenzen von Hans Georg und Hermann Nägeli ist eine historische Edition. Als solche könnte sie auch als dokumentarische Edition, Archiv-Edition oder allenfalls auch digitales Archiv bezeichnet werden. Damit ist ihr aktueller Status bestimmt, der sich freilich in Zukunft ändern mag. Auch wenn sie in ihrer Anlage jenes transitorische Momentum beinhaltet, das heutzutage als Charakteristikum für digitale Archive angesehen wird, unterscheidet sie sich dadurch von digitalen Archiven, dass sie neben dem Editionstext auch eine grundlegende Texterschliessung sowie eine historische Einbettung der Dokumente und flexible Zugriffe auf das edierte Material enthält. Aus diesem Grund sprechen wir von einer historischen oder dokumentarischen Edition.

Funktionalitäten / Usability

Die Nägeli-Edition offeriert auf folgende Weise variable Zugriffe auf die edierten Briefe:

  • Die allgemeine Suchfunktion erlaubt das Durchsuchen des Wortlautes aller edierten Briefe.
  • Die Register erlauben drei verschiedene thematisch-inhaltliche Zugriffe auf die Korrespondenz.
  • Der Zeitstrahl ordnet sämtliche Briefe in chronologischer Reihung. Er erlaubt sowohl eine chronologische Schau auf die Gesamtkorrespondenz als auch die detaillierte Ansicht einer ausgewählten Zeitperiode.
  • Darüber hinaus kann man Teilkorrespondenzen betrachten und sich den konkreten Schriftverkehr im Wechsel (Vorgänger-/Folge-Brief) anzeigen lassen oder auch – falls vorhanden und im Rahmen des Projektes bereits eruiert – das Verhältnis der verschiedenen Zeugnisse eines Briefes (Entwurf, abgeschickter Brief, Abschrift) betrachten.

Der edierte Briefbestand

In der ZB ist der mit Abstand grösste Briefbestand der Nägelis aufbewahrt. Momentan weiss die Nägeli-Forschung noch von 447 weiteren Briefen, die in anderen Bibliotheken und Archiven der Schweiz und des benachbarten Auslandes erhalten sind. Folglich besitzt die ZB ca. 90% der überlieferten Nägeli-Korrespondenz, die in der digitalen Edition zugänglich gemacht werden. Im Bestand der ZB sind von Hans Georg ca. 1’600, von Hermann ca. 200 Briefe erhalten, daneben gibt es rund 2’000 Briefe von diversen Personen an die beiden. Ein Grossteil der Nägeli-Briefe ist als Teil des Nägeli-Nachlasses in den Beständen der Musikabteilung der ZB überliefert; aber auch in verschiedenen Beständen und Nachlässen der Handschriftenabteilung finden sich Briefe.

Die grosse Briefsammlung beider Nägelis gelangte 1876/77 als Teil eines unzählige weitere Dokumente (wie Schriften, Musikalien, Rechnungsbücher, Tagebücher etc.) umfassenden Bestandes in den Besitz der ZB. Die Übergabegeschichte des als «monumental» charakterisierten Nachlasses kann jetzt detailliert in Martin Staehelin: Hans Georg Nägeli (1773-1836). Einsichten in Leben und Werk. Bd. 1. Basel 2023, S. 17-32, nachgelesen werden (Zitat ebd., S. 17). Der überlieferte Briefbestand wurde insbesondere durch Hermann Nägeli stark ‘bearbeitet’ und ist in seiner heutigen Gestaltung wesentlich auf dessen Eingriffe nach dem Tode des Vaters zurückzuführen: Er erstellte einerseits viele Abschriften von Briefen, weil er die Originalbriefe z.T. an Autographensammler wie etwa den Zürcher Hans Conrad Ott-Usteri (1788-1872) weiterverkaufte. Andererseits versuchte er auch eine Briefanthologie zusammenzustellen, die das Wirken und die Vita seines Vaters anhand von Briefzeugnissen berühmten Briefpartner dokumentieren und würdigen sollte, und kopierte deshalb verschiedene Briefe resp. Briefauszüge.

Im Nägeli-Jubiläumsjahr 2023 wurde der ZB eine rund 260 umfassende Briefsammlung beider Nägelis geschenkt (Signatur Ms Z II 169). Diese Dokumente werden erstmals in dieser digitalen Edition veröffentlicht. 

Mitwirkende am Projekt /Ansprechpersonen



Aktuell entwickeln wir noch unser definitives Frontend. Sobald eine ausreichende Anzahl an Briefen fertig ediert sind, werden wir sie auf unserer Projektwebseite publizieren.

Unser Projekt wurde mit einem erfolgreichen Citizen Science-Projekt lanciert. Lesen Sie hier, wie engagiert unsere Citizens transkribiert haben. – Falls Sie möchten, können Sie auch weiterhin Nägeli-Transkriptionen erstellen.

Interesse an einem Projektpraktikum?

Per 1. August 2024 schreibt die ZB viermonatige Praktika (50%) für Master-Studierende aus: Das ist eine tolle Chance, um praktische Editionserfahrung im akademischen Kontext zu erwerben. Im Rahmen des Praktikums wirken Sie u.a. mit bei der Briefkatalogisierung im Bibliothekskatalog, erstellen mittels Transkribus Transkriptionen und codieren den korrigierten Text nach TEI-Standards. Das Praktikum wird entlöhnt. Weitere Informationen finden Sie hier.