Globi – ein Kinderfreund und Erwachsenenschreck in der Zentralbibliothek
Seit 1932 prägt der blaue Vogelmensch Globi, ursprünglich erfunden als Werbefigur des Kaufhauses Globus, die Schweizer Kinderbuchlandschaft: Zahlreiche Bücher, Unterlagen, Objekte und Zeichnungen in der Zentralbibliothek Zürich dokumentieren die Geschichte der amüsierenden und polarisierenden Figur zwischen Kinderbuch und Werbung.
Werbefigur und Kinderbuchheld
«Aus dem Ei geschlüpft» ist die Figur Globi 1932 als Werbefigur anlässlich des 25. Jubiläums des Kaufhauses Globus. Globis «Erfinder» war der Werbefachmann und Globus-Reklamechef Ignatius Karl Schiele (1902–1988). Robert Lips (1912–1975) zeichnete die Globi-Bildgeschichten und gestaltete Plakate sowie Werbeartikel. Dem Entstehungsprozess kann man in einzelnen Entwürfen und Vorzeichnungen für die Einbände und Illustrationen folgen.
Während die Kinder die Figur schnell ins Herz schlossen, war Globi den Erwachsenen oft ein Dorn im Auge. In der Kinderbuchszene stiess man sich zunächst an der überbordenden Fantasie der Geschichten oder lehnte die Form der Bildergeschichte ab. Später prangerte man den «krassen Rassismus» in Büchern wie «Globi im Urwald» oder «Globi bei den Indianern» an. Heute wird Globi wiederum aus neuem Blickwinkel betrachtet, beispielsweise sein Verhältnis zur Armut.
Tausendsassa Globi
Mit Globi konnten die Kinder in weit entfernte, fantastische Welten reisen, von der Robinson-Insel über das Märchenreich bis auf den Meeresgrund. 1935 erschien der Band «Globis Weltreise», es folgten zahlreiche weitere, zum Teil in mehrfachen Auflagen. Inzwischen sind 95 Globi-Bücher erschienen. 2012 versammelte ein Jubiläumsband die besten Geschichten aus 80 Jahren. Sowohl auf farbenprächtigen Einbänden als auch in den schwarz-weissen Bildergeschichten konnte die Figur von Anfang an ihren Charme entfalten.
Interessant sind auch Globi-Projekte, die nicht verwirklicht wurden: Ein vielleicht geplantes Buch hätte Globi bereits 1940 zum Mond geschickt, lange vor Apollo 11. Lips liess Globi eine Rakete steuern und Kontakt mit Ausserirdischen aufnehmen. Einen tatsächlichen Band über Globi im Weltraum gab es erst 1990.
Eine Zeitschrift für Globi
Von Weihnachten 1934 bis 1970 erschien zusätzlich zu den etwa jährlich erscheinenden Globi-Büchern die Zeitschrift «Der Globi». Monatlich flatterten die Hefte den Abonnentinnen und Abonnenten ins Haus: in handlichem Format, mit den Globi-Bildergeschichten und Berichten über allerlei Wissenswertes sowie Rätselaufgaben, Wettbewerben und Bastelanleitungen. Ebenfalls abgedruckt waren Zeichnungen und Bastelarbeiten von Kindern, die als Adressatinnen und Adressaten sowie als Beitragende geschätzt und ernstgenommen wurden. Auch beim 20-jährigen Jubiläum von 1952 fanden sich in der «Globi-Illustrierten» Kinderzeichnungen.
Kinderkultur und Reklame dachte Globus-Reklamechef J.K. Schiele zusammen. Er hinterliess neben zahlreichen Originalillustrationen von Lips auch einen grossen Fundus an Werbematerial, der belegt, wie intensiv sich der Werbefachmann mit Reklame und deren Wirkung auseinandersetzte. 1961 gratulierte Globus Schiele auch in Form einer eigenen Publikation zu seinem «schöpferischen Wirken» als Werber.
Globi im Wettbewerb
Bastel- und Zeichenwettbewerbe gehörten ab 1935 zum regelmässigen Angebot der Globi-Zeitschrift. So fragte man im Sommer 1936 nach einem «lustigen Globi-Streich» in Wort oder Bild. 1937 lautete die Wettbewerbsfrage: «Wer malt das schönste Ferienbild?», verbunden mit Werbung für Globi-Stifte. Das Siegerbild «Globi bei den Zwergen» fand sich viele Jahre später in Schieles Nachlass.
Den Charakter von Zeitdokumenten haben Werke zur Schweizerischen Landesausstellung 1939 aus dem Wettbewerb «Was ich an der Landi sah und erlebte». Die Mobilisation Schweizer Männer und der Zweite Weltkrieg wurden ebenfalls in Zeichenwettbewerben thematisiert. Indem sie dazu anregten, über Erlebnisse, Ängste und Hoffnungen zu schreiben und sie zu zeichnen, hatten sie auch eine Ventilfunktion für Kinder. Gleichzeitig dokumentieren sie den dauerhaften kreativen Impuls, der von Globi ausging.
Drei Fotoalben
In drei grossformatigen Alben wurden zwischen 1932 und 1940 neben Werbeaktionen und Schaufenstergestaltungen auch zahlreiche Bastelarbeiten fotografisch dokumentiert, welche Kinder über Jahre an Globi geschickt hatten. Die Bastelarbeiten belegen, wie sehr die Figur die kindliche Fantasie und Gestaltung anregte. Manche Werke wurden allein durch die Fotos «bewahrt», wie ein Schneemann oder ein Räbelichtli, oder sie inspirierten zu eigenen Inszenierungen, indem beispielsweise eine Globi-Plastilinfigur in einer Zürcher Strasse aufgestellt wurde. Sie wurden in der Globi-Zeitschrift abgedruckt und mit Preisen ausgezeichnet. All diese Freundschaftsgaben und Wettbewerbsarbeiten illustrieren die ausgeklügelte Werbestrategie hinter der Figur ebenso wie die tiefe Verbundenheit der Kinder mit ihrem «Freund» Globi.
Globi für alle Lebenslagen
Globi begleitet nicht nur in Büchern und Heften den Alltag von Kindern, auch in Form verschiedener Werbeprodukte taucht er immer wieder auf. Neben Merchandise-Produkten und Werbemitteln finden sich in der ZB Zürich Globi-Werke von Kindern und interessante Globi-Varia. Diese belegen die vielfältigen Weisen, auf die Globi seit Jahrzehnten Anteil am Leben nimmt.
Weiterlesen, weiterschauen
In diesem Beitrag ist Ihnen bereits so viel Globi-Lektüre begegnet, dass am Ende keine Literaturhinweise nötig sind. Stattdessen finden Sie hier eine mal ernstere, mal weniger ernste Fernsehsendung von 1972 zum 40‑jährigen Globi-Jubiläum.
«40 Jahre Globi», aus der «Antenne»-Sendung vom 15. März 1972, 7:41 min. Die «Antenne» war das erste
Regionalmagazin des Schweizer Fernsehens. (Video: SRF)
Dr. Anna Lehninger, Kunsthistorikerin, Projektmitarbeiterin Graphische Sammlung und Fotoarchiv
August 2023
Header-Bild: Globi-Stundenplan, Detail, um 1950. (Erben J.K. Schiele / ZB Zürich)